Veltheim an der Weser

Wissenswertes, Aktuelles und Historisches aus Veltheim
 

Der 105-jährige Streit zwischen Veltheim und Varenholz

von Ortsheimatpfleger Reinhold Kölling

Die Streitigkeiten um die Grenze an der Weser


Über mehrere Jahrhunderte hinweg zogen sich die Streitigkeiten zwischen dem Bistum Minden bzw. dessen Rechtsnachfolger und den Grafen von der Lippe hin. Es kam häufig zu Auseinandersetzungen, weil die Lipper den Grenzverlauf zu ihren eigenen Gunsten zu ändern versuchten. Diese Auseinandersetzungen nahmen zeitweise kriegs- oder kleinkriegsähnliche Formen an.
Lehrer Hans Reese hat in einer Ausarbeitung dazu folgende Faktoren herausgearbeitet, die dafür von Bedeutung gewesen sind:
1. Die nicht eindeutig festgelegte Grenze. Eine Grenzlinie in der Mitte des Hauptstromes musste bei mehreren Flussarmen fast zwangsläufig zu Streitigkeiten führen. In Wirklichkeit gab es zwischen Veltheim und Varenholz einen etwa einen Kilometer breiten Grenzstreifen, Niemandsland oder Jedermannsland, ganz wie man es sehen will. Zwar galt eine künstliche Beeinflussung des Stromlaufes als widerrechtlich, aber wer konnte im Einzelfall schon entscheiden, ob es sich um eine Befestigung des eigenen Ufers oder um eine Beeinflussung des Stromlaufes handelte.
2. Unterschiedliche Rechtsauffassungen über Grenzen am Fluss.
Nach Mindener, wohl auch anerkannter, Auffassung verlief die Grenze zwischen den beiden Hoheitsgebieten in der Mitte des Hauptstromes der Weser. Die Lipper beanspruchten die Hoheit über den gesamten Strom, also den Hauptstrom und die Nebenarme. Im Salbuch des Amtes Varenholz ist die lippische Auffassung über den Grenzverlauf klar festgehalten:
„…. ob auch wohl die Hoheit des ganzen Weserstromes soweit sich des Varenholzischen Hauses Recht und Gerechtigkeit oben und niedem an dem Weserstrom erstreckt, allein für die Varenholzische Hoheit gehalten und geachtet wird, so maßen sich gleichwohl die Mindischen des halben Weserstromes zu ihrer Hoheit an.“
3. Die Schwäche der Mindener Bischöfe und ihre Verwicklungen in Grenzstreitigkeiten, bei denen es um weitaus mehr ging als zwischen Veltheim und Varenholz, musste geradezu dazu auffordern, in diesem eng begrenzten Bereich die Verhältnisse zu eigenen Gunsten zu ändern.
4. Die auch ohne menschliches Eingreifen bei größerem Hochwasser sich verlagernde Hauptströmung der Weser regte dazu an, hier und da etwas nachzuhelfen. Nach allgemeiner Rechtsauffassung fiel angehägertes Land (Anflüsse) dem Grundherrn zu. Er konnte es in eigene Bewirtschaftung nehmen oder auch verpachten. Diese Regelung gab häufig Anlass zur Unzufriedenheit bei den Bauern, die Abflüsse ohne Entschädigung hinnehmen mussten, bei Anflüssen jedoch unberücksichtigt blieben. So klagte bereits 1614/15 der lippische Eigenbehörige Johann Poock (Nr.21) in Veltheim; „dass seine Lenderei meistenteils von dem Wasser weggetrieben“. Sein Nachfolger auf dem Hofe, Ahrend Bierbaum, erklärte 1682 bei der Aufnahme des Urbars: „18 Groschen hätte er auch sonst ans Amt gegeben wegen Ländereien, welche aber schon vor 30 Jahren durchs Wasser weggenommen und dem Grafen von der Lippe angelegt worden.“


Schon im 14. und 15. Jahrhundert hat es einen immer schwelenden Kleinkrieg zwischen Veltheim und Varenholz gegeben. Eine Kaufurkunde aus dem Jahre 1415 erwähnt den Verkauf des „halben Striekwerders“ (Strietwerder) bei Veltheim.
Aus dem Jahre 1558 liegen erstmals schriftliche Berichte über die Grenzstreitigkeiten vor. Sie beschreiben die gespannte Situation zwischen den beiden Nachbarn.
Juli 1558: Mindener Behörden beklagen sich in Varenholz über lippische Weser-Bauten und verweisen darauf, dass die Grenze mitten durch den Strom gehe. Sie verlangen Abhilfe.
26. Juli 1558: Erich Dux, Amtmann und Droste zu Hausberge, verlangt Abbau der von Lippe aufgeführten Schlagde.
28. Juli 1558: Der Bischof von Minden will sich in eigener Person nach Veltheim begeben und die lippischen Weser-Bauten in Augenschein nehmen. Offensichtlich gab der Bischof anschließend Anweisungen, gewaltsam gegen weitere Bautätigkeiten der Lipper an der Weser vorzugehen.
31. Juli 1558: Graf Bernhard beklagt sich bei dem Bischof über den Amtmann zu Hausberge, der wegen eines aufgeworfenen Werders einige lippische Untertanen gefangen setzte. Auch seien diese Untertanen „unermesslich geschlagen“, auf Befehl aber entlassen worden. Lediglich ein Diener werde noch gefangen gehalten.
4./5. August 1558: Der Hausberger Amtmann weigert sich, den lippischen Bürger (Meyer) gegen eine Kaution von 100 gr. (Groschen) auszuliefern, sondern verlangt 400 gr. (Groschen) oder Sistierung des Gefangenen.
Über den weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen liegen keine Berichte vor.
Auch im nächsten Jahr, am 24.10.1559, beschweren sich die lippischen Behörden in Varenholz über den „Amtmann Dux zu Hausberge mit seinen Gewaltthaten, da er den Weßer Strohm versperrt, so lange anzuhalten bis die Irrungen rechtlich erörtert.“
Wenige Jahre später (1563) gibt es Steitigkeiten um Zoll und um Weiden, die die Mindischen haben abhauen lassen.
Entweder gab es dann längere Zeit Ruhe zwischen den beiden Nachbarn, oder es liegen nur keine schriftlichen Beschwerden und Berichte vor. Dies scheint zutreffender zu sein.


Zum großen, sich über 105 Jahre hinziehenden Streit kam es im Jahre 1627.


Der nachfolgende Bericht dazu basiert auf den Ausarbeitungen des Königlich Preußischen Kriegs- und Domänenrats Culemann, der diese 1745 nach Beendigung der Streitigkeiten auf Grund der vorliegenden Akten verfasste. Weitere Einzelheiten sind den „Studien zur Entwicklung des ehemaligen Fürstentums Minden…...“von H.Blotevogel entnommen. Zusammengestellt wurde der nachstehende Bericht von Lehrer Hans Reese in der Ausarbeitung                                                    „Veltheim und die Weser“ 1991, ergänzt durch Aufzeichnungen aus dem Archiv des Verfassers.
Die Lipper nutzten die Rechtsunsicherheiten des 30jährigen Krieges, um die Grenzprobleme nach ihren Vorstellungen zu bereinigen. Sie bauten Schlagden in die Weser hinein, indem sie Pfähle einrammten und die Zwischenräume mit Braken und Reisigbündeln ausfüllten. Die Strömung wurde dadurch auf das Veltheimer Ufer abgelenkt, wo es zu entsprechenden Landabflüssen kam.
Die Veltheimer reagierten mit dem Bau von Abwehr-Schlagden und suchten Hilfe bei der Obrigkeit, den bischöflichen Behörden in Minden. Sie baten ferner um Befreiung von Abgaben in Ansehung der starken Schädigungen. Die Streitigkeiten eskalierten; die verfeindeten Nachbarn zerstörten nachts die Schlagden des Gegners und bauten selbst wieder neue Schlagden.
Am 29. April 1627 beschlossen die Mindener Räte, gegen Varenholz vorzugehen. Zunächst wurde ein geharnischtes Schreiben abgesandt:
„Demohngeachtet haben ferner die gräflichen Lippischen in Vormundschaft verordnete Canzler und Räthe auch Drost und Amtleuthe zu Varenholz sich gelüsten lassen beneben dem Dorf Erder an der Gotten, allwo sich die Weser in drei verschiedene Strohme geteilet, die rechte alte Weser, darauf die Schiffahrt von 30, 40, 50 und mehr undenklichen Jahren hergangen, zu stauen und mit einem neuen Damme solchen uralten allgemeinen Schiffreichen Fluß uf die Mindische Seite zu deriviren und dadurch zu ohndenklichen Demulation und Hochbeschwer, auch gefährlicher Konsequenz eigennutzige und vorteilhaftige gewinnsüchtige Neuerung anmaßlich einzuführen.“
Anscheinend hatten die Lipper schon damals den Anfang der so genannten „Vlothoer Gosse“ (Gotte) aufgestaut und versucht, sie umzuleiten. Die Vlothoer Gosse war das wegen seiner starken Strömung bei Schiffern gefürchtete Engtal der Weser zwischen Erder und Vlotho.
Da auch Verhandlungen des von dem Mindener Domkapitel entsandten Hausberger Vogts Rudolf Krecke zu keinem Einlenken der Lipper führte, wurden Hilfsmaßnahmen für die Veltheimer eingeleitet.  Der Vogt Krecke wurde angewiesen, die Veltheimer beim Bau von Abwehr-Schlagden tatkräftig zu unterstützen, Holz bereitzustellen und die Untertanen des Stiftes Minden zur Hilfestellung heranzuziehen.
Ebenso wie die schriftlichen Proteste und die Verhandlungen des Vogtes Krecke scheinen aber auch die Hilfen zur Befestigung des Weserufers keinen wesentlichen Erfolg gehabt zu haben. Zu wirksamen Maßnahmen größeren Stils war das Bistum Minden damals nicht in der Lage.
Die Stadt Minden und das Stift Minden waren seit 1625 von kaiserlichen Truppen unter Tilly besetzt. Minden hatte also andere und größere Sorgen und musste sich weitgehend auf schriftliche Proteste an die lippischen Behörden beschränken, die die „wohl gegründeten und wichtigen Ursachen“ kaum zur Kenntnis nahmen.
Die Veltheimer blieben zunächst auf sich allein gestellt.
Wenige Jahre später brachen die Streitigkeiten erneut aus. Blotevogel  schreibt darüber: „Als sich im Frühjahr 1629 die Weser bei Erder auf lippischer Seite einen neuen Weg bahnte, versuchen die Lipper durch Dämme und Schlagden (auch Köpfe genannt) dies zu verhindern.
Der Strom wurde dadurch wieder auf die Mindener Seite gedrängt, so dass hier die Gefahr größerer Landabspülungen bestand.
Minden baute deshalb Gegenschlagden und ließ die lippischen Schlagden gewaltsam zerstören. Darüber kam es zu bewaffneten Einfällen. Die Lipper erwirkten 1630 am kaiserlichen Kammergericht (in Wetzlar) ein Mandat gegen Minden, ohne dass damit der Streit beigelegt wurde.“
Die Berichte von Culemann gehen auch auf Einzelheiten ein. „Doch die Lipper sind bei nachtschlafender Zeit, den 10.Juni 1630, gekommen und haben mit bewaffneter Hand alles, was nicht nur neu verfertigt gewesen, sondern auch die Mindische Schlagd gänzlich ruinieret, die Pfähle in die Weser geworfen, bei welcher Verrichtung man die Pässe im Mindischen, sowohl als im Lippischen mit Schützen besetzte, dass man ihnen nicht leicht ankommen konnte. Nach ausgeübter Gewalt sind sie mit Schießen und sonderlichen Freuden wieder abgezogen.“
Zum Glück für die Veltheimer fanden diese Zwischenfälle im Sommer statt, doch musste das Hochwasser im kommenden Winter ungeheuren Schaden anrichten, wenn nicht sofort alles neu gebaut wurde.
Die Mindener Räte befahlen daher den Hausberger Beamten, das nötige Holz anzuschaffen. Das ganze Amt Hausberge wurde zu Hand- und Spanndiensten heran aufgeboten. Alle Beamten des Stiftes Minden erhielten Befehl, dem Vogt Krecke jederzeit so viel Mannschaft zur Bewachung zu senden, als dazu nötig sei.
Einmal räumten die Veltheimer einen Zaun vom Lipper Ufer, der angeblich zur Abhaltung des Viehs angelegt war, in Wirklichkeit aber das Ufer schützen sollte. Ein andermal setzte ein Mindener Trupp unter Feuerschutz über die Weser, um den lippischen Damm einzureißen. Ein von den Lippern zu Friedensverhandlungen entsandter Parlamentär wurde in Hausberge festgesetzt. Die offenen Streitigkeiten sollen damals durch einen Spruch des Kaisers aus Speyer beigelegt worden sein.
Im Jahre 1643 – inzwischen hatten die Schweden die Stadt und das Bistum Minden besetzt und eine provisorische Regierung eingesetzt – nahm der Streit wieder heftigere Formen an. Im Januar dieses Jahres sollen 44 Morgen am Veltheimer Ufer abgespült worden sein. 1648 umgaben Varenholzer Bauern mit Duldung der Amtleute einen angeschwemmten Sandbrink mit einem Weidezaun, um neues Land zu gewinnen.
Wieder einige Jahre später bedurfte es außerordentlicher Anstrengungen, das Veltheimer Weserufer zu schützen. Der Schaden war so groß, dass zur Befestigung der Veltheimer Schlagden 5847 Fuder Pfähle und 5246 Fuder Braken notwendig waren. Diese Zahl von 30 Fudern Holz, die im Durchschnitt des Jahres 1654 täglich gefällt, an die Weser gefahren und dort verbaut werden mussten, zeigt welche unglaubliche Belastung der „Kleinkrieg“ für die Veltheimer Bauern gewesen sein muss. Entscheidend war wohl, dass die Varenholzer immer wieder Rückendeckung aus Detmold bekamen. Die lippische Regierung ließ sich von den Beschwerden und Protesten aus Hausberge und Minden wenig beeindrucken.
Über den weiteren Verlauf schreibt Blotevogel: „Konferenzen über Konferenzen wurden angesetzt, unparteiische Strombaumeister zur Begutachtung hinzugezogen und das kaiserliche Kammergericht angerufen. Alle Maßnahmen hatten nur vorübergehende Wirksamkeit und blieben im Allgemeinen fruchtlos. Bewaffnete Einfälle hinüber und herüber verschärften die Lage.“
Im westfälischen Frieden von 1648 war das Bistum Minden an das Kurfürstentum Brandenburg (ab 1701 Königreich Preußen) gefallen. Auch die neue kurbrandenburgische Regierung war nicht in der Lage, die Grenzstreitigkeiten beizulegen. In den nachfolgenden Verhandlungen spielte die Befestigung des auf Varenholzer, früher auf Veltheimer Seite gelegenen Kiwittsbrinks eine große Rolle.
Schließlich kam es doch zu einem Vergleich, der auch bis 1705 vorhielt. Aber bald begannen neue Streitigkeiten, neue fruchtlose Verhandlungen begannen, sachverständige Schlagdmeister wurden gehört, Schlagden wurden gebaut und zerstört.
In Berlin hatte sich inzwischen der König selbst der Angelegenheit angenommen. 1715 fand an Ort und Stelle eine Besichtigung statt, und im Anschluss daran wurde auf dem Buhnhof bei Möllbergen ein Vergleich ausgehandelt, den König Friedrich Wilhelm I. in Berlin selbst unterzeichnete. Anschließend gab er der Kriegs- und Domänenkammer in Minden die Anweisung, „darüber steif und fest zu halten und keine Contravention (Vertragsbruch) zu gestatten“. Aber auch dieser Vertrag brachte noch kein Ende des Streites. Graf Adolf zur Lippe erhob Einspruch, doch der König mahnte den Grafen in einem persönlichen Brief zur Einsicht. In einem weiteren Schreiben unterrichtete er den Grafen davon, dass er den Behörden in Minden die Demolierung der schädlichen Überbefestigung befohlen habe. Friedrich Wilhelm der I schließt in seinem Brief: „Wir wollen jedoch hoffen, dass der Graf werde dergleichen unangenehme Weiterungen, soweit wir demselben auch lieber verschonet sehen möchten, sich nicht zu exponieren und in solcher Zuversicht verbleiben Wir Ihnen Fr. Wilhelm.“
Der Graf sandte Räte nach Berlin, mit dem Auftrag einen neuen Vertrag auszuhandeln, ohne Erfolg. Die preußischen Behörden in Minden ließen befehlsgemäß Befestigungsanlagen auf der lippischen Seite zerstören und setzten zum Schutz dieser Aktionen Militär ein. Lippische Proteste in Minden blieben ohne Erfolg.
Im Jahre 1727 kam es nochmals zu Konflikten an der „Weserfront“, die jedoch von einer neu gewählten Kommission geschlichtet werden konnten. Eine endgültige Beendigung des Streites versuchte der lippische Graf durch immer neue Vorstellungen beim preußischen Hof hinauszuzögern.
Nach einem weiteren Zwischenfall kam 1732 dann die Weisung aus Berlin, mit bewaffneter Hand das Recht der Veltheimer zu schützen. Auch in Detmold kam es nun zu der Einsicht, dass gegen den nun stärkeren Nachbarn keine Aussicht auf Erfolg bestand, und man stellte die Feindseligkeiten ein.
Beendet wurde der 105jährige Streit zwischen Veltheim und Varenholz im Jahre 1732 durch eine Verfügung des preußischen Königs, die einer Enteignung des Grafen von der Lippe in Veltheim gleich kam.
1. Die sieben lippischen Eigenbehörigen des Grafen von der Lippe in Veltheim wurden königlich preußische Eigenbehörige, die auf ihre auf der Eigenbehörigkeit beruhenden Abgaben (Zehnt, Weinkauf, Sterbfall, Zinskorn) in Zukunft an Hausberge abzuführen hatten.
2. Auch die Abgaben der übrigen Veltheimer Bauern an Lippe seien in Zukunft an Hausberge abzuführen.
Als Ergebnis des 105jährigen Streits bleibt mit Culemann festzustellen:“200 Morgen Land soll die Weser bey Veltheim abgespület und dem lippischen territorio angesetzet haben, woraus anjetzo die Varenholzische Weide besteht.“
Die Lage des umstrittenen Gebietes und der ursprüngliche Verlauf des Hauptstromes lassen sich anhand einer Skizze rekonstruieren.








Abbildung: Varenholzer Weiden, Skizze von Hans Reese


Bei der Aufnahme des Urbar 1682 haben zwei Veltheimer Bauern Landverluste durch Abschwemmung angegeben:
Nr. 21 (früher Nr. 80), Ahrend Bierbaum:
„..18 Groschen hätte er auch sonst ans Amt gegeben wegen Ländereien, welche aber schon vor 30 Jahren durchs Wasser weggenommen und dem hl. Grafen von der Lippe angelegt wurden.“
Nr. 25 (früher Nr. 21) Herman Bringmeyer
„.. und viel Land wäre auch davon gekommen, berichtet, dass die Weser das Land weggenommen und an einer anderen Stelle angeleget, und müsse er den starken Zins davon zahlen.“
Bei den übrigen Betroffenen ist man auf Vermutungen angewiesen. Ein Vergleich des Grundbesitzes der Veltheimer Bauern nach dem Urbar zeigt, dass die Bauern mit dem Schwerpunkt ihrer Grundstücke im Westen des Dorfes und an der Weser über verhältnismäßig geringere Flächen verfügten als vergleichbare Höfe in anderen Bereichen. Ihr Besitz war zum Teil erheblich kleiner. Bei einigen hat der Grundbesitz von 1682 bis 1745 auch deutlich abgenommen:
Nr. 24 (früher Nr. 20) Hanß iezo Heinrich Pöcke (Böke): Verlust von knapp 4 Morgen.
Nr.  39 (früher. 33) Heinrich Huck iezo Johan Böke: Verlust von fast 6     Morgen.
Die größten Verluste bei dem Grenzstreit scheinen also die alten Erbenhöfe und Erbkotten des unteren Veltheim gehabt zu haben.
Die bereits erwähnte Einziehung des lippischen Eigentums in Veltheim hatte noch folgende Auswirkungen:
Die sieben lippischen Eigenbehörigen in Veltheim wurden in königlich preußische Eigenbehörigkeit überführt. Im Urbar wurden noch am Ende des Verzeichnisses im Anschluss an die kurbrandenburgischen Eigenbehörigen aufgeführt, und zwar unter den Nummern 77 bis 83. Sie wurden in der Folge entsprechend ihrer Klassenzuordnung als Vollmeier, Halbmeier und Kötter in die preußischen Listen eingeordnet. Dadurch änderten sich fast alle Nummern in den Veltheimer Listen. Diese Änderung ist insofern von Bedeutung, als die Nummern in den Abgabelisten allmählich die Funktion von Hausnummern bekommen hatten.
An die Einziehung des Eigentums des Grafen von Lippe von Veltheim erinnert der alte Ruf, mit dem die Varenholzer empfangen wurden, wenn sie sich in Veltheim sehen ließen:
„Die Lipper haben’s Land gestohlen,
die Preußen müssen’s wiederholen.
Geduld, Geduld, Geduld,
die Lipper haben Schuld!
Der Antwortvers der Varenholzer lautete:
„Die Preußen haben’s Geld gestohlen,
die Lipper müssen’s wiederholen.
Geduld, Geduld, Geduld,
die Preußen haben die Schuld!
Für die Varenholzer war Veltheim schon „Ausland“, davon erzählt folgende Anekdote:
„Am jenseitigen Talrand, überm Grün der Wiedkämpe, brennen die Dächer von Eisbergen und Veltheim. Wohin einmal, in duodezstaatlicher, zollbeschrankter Zeit, ein Varenholzer Mädchen gefreit. Läuft die Mutter weinend zum Pastor und klagt:“Wat schall dat arme Luid nui wall  in’n frömmeden Lanne seo ganz alleine anfangen? Unner luiter frömmeden Minsken? Seiget Seu doch sümst mol, Pistauer!“ Ach ja, das liebe lippische Mädchen im feindlichen Preußen. Im 2000jährigen Veltheim, jenseits der Weser, 4 km fort, das Mädchen aus Vornholte=Varenholz, dem Anhängerdorf vom Schloß, aus dem „nur“ 1000jährigen Flecken.“
Noch heute ist bei Niedrigwasser in der Weser bei der „Werder Schlagd“ ein Eichenbaumstamm zu sehen, der tief in den Wesergrund geschwemmt ist. Dieses Holz stammt nach Überlieferungen noch aus der Zeit der Veltheimer Schlagden. So wurde es von den Lehrern der Veltheimer Volksschule bei  den Klassenausflügen an die Weser berichtet.

 
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