Veltheim an der Weser

Wissenswertes, Aktuelles und Historisches aus Veltheim
 

Die Flur"Sieben Eichen" - das Gogericht zu Veltheim

Sieben Eichen – Siebeneiken


Der Volkskundler Fritz Neuhaus beschrieb die Bedeutung wie folgt: „Siebeneiken heißt ein Ortsteil im oberen Veltheims an der Kreisstraße Veltheim-Hausberge, etwa von Voth 84 bis Jochmann 131. Von dem Gogericht „Sieben Eyken“, dessen Grenzprotokoll aus dem Jahre 1562 uns erhalten ist, kann mit Sicherheit angenommen werden, daß es hier früher Femgerichte gehalten wurden.“

Ortsheimatpfleger Reinhold Kölling hat die Historie dazu ausgearbeitet:

„Das Gogericht „vor den Sieben Eichen“ in Veltheim an der Weser


„Sieben Eichen“, eine alte Flurbezeichnung in Veltheim, heute der Name einer Straße in der Flur. Von alten Veltheimern wurde das Gebiet oft als Ortsteil bezeichnet. Die Veltheimer „Sieben Eichen“ hatten in früherer Zeit vor allem im Rechtswesen eine besondere Bedeutung. Das „Gogericht Vor den Sieben Eichen“ ist wohl aus einem der alten Volksgerichte vor der Christianisierung der Sachsen hervorgegangen. Die Versammlung der Volksgerichte, der „Thing“ trat am „Thingplatz“ unter freiem Himmel öffentlich zusammen. Der „Thingplatz“ war gewöhnlich ein weithin sichtbarer Platz unter heiligen Bäumen, an Bächen und Flüssen, an einem Born oder auf einem Hügel. Der „Thing“ war in seinen Entscheidungen unabhängig; Urteile mussten mit Zustimmung aller „Thingleute“ gefällt werden.
Mit Einführung der fränkischen Gerichtsverfassung durch Karl den Großen trat an die Stelle der Gerichtsgemeinde allmählich ein Beirat von sieben oder mehr Bürgern, die das Urteil finden und das Recht schöpfen mussten (daher der Begriff Schöffen). Den Vorsitz führte der Graf. Diese Grafengerichte waren für die schwereren Rechtsfälle zuständig. Leichtere Verfehlungen und Frevel wurden vor dem Gogericht (Go =Gau) verhandelt. Richter waren die von den Bauern gewählten Gografen.
Die alten Volksgerichte verloren ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit mit der weiteren Ausbildung der Territorialherrschaft der Edelherren vom Berge auf der Schalksburg. Diese zogen allmählich die Gerichtsbarkeit an sich. In der Edelherrschaft zum Berge bestanden im 14. Jahrhundert zwei Gogerichte: Das Gogericht Frille, das später auf das dritte Joch der Weserbrücke zu Minden verlegt wurde, und das Gericht „Vor den Sieben Eichen“ in Veltheim.
Nach dem Aussterben der Edlen Herren vom  Berge kam die Herrschaft zum Berge 1398 durch Erbschaft an das Domkapitel zu Minden.  Die beiden Gogerichte sanken unter den Mindener Bischöfen immer mehr zu Gerichten der niederen Gerichtsbarkeit herab. Sie konnten im Wesentlichen nur Brüchten (Strafgelder) verhängen. Die schweren Fälle wurden dem Drosten oder Amtmann in Hausberge übertragen. 1562 gab es für die beiden Gogerichte nur noch einen Gografen.
Von Grenzstreitigkeiten zwischen dem Mindener Bischof und den Grafen zu Schaumburg im 16. Jahrhundert war auch das Gogericht  „Sieben Eichen“ betroffen. Umstritten war vor allem die Zugehörigkeit des nach Eisbergen eingepfarrten Gutes Dankersen und des Dorfes Todenmann. Die Schaumburger hatten nämlich ihren Herrschaftsbereich auf die östlich des Fülmer Schnadbachs (Schnad = Grenze) gelegenen Gebiete ausgeweitet und behielten diese trotz aller Mindener Proteste.
Auf Veranlassung des Mindener Bischofs umriss das Gogericht „Sieben Eichen“ in einem Grenzprotokoll seinen Zuständigkeitsbereich, um die Mindener Ansprüche auf das umstrittene Gebiet zu untermauern. Folgende Männer verfassten das Protokoll am 22. Juni 1562:
Erich Dux, Droste zu Hausberge; Johann von Halle, Amtmann zu Hausberge; Johann Vincke, Gograf und Richter; Johann Krite (Kreide), Amtsvogt zu Hausberge; und zwei thingberechtigte Männer: Barthold Vogt und Arndt Diestelhorst.
Der wichtigste Teil des Grenzprotokolls wird hier im Wortlaut zitiert:
„Gogericht zu den Sieben Eychen von wegen meines gnädigsten Fürsten und Hern von Minden. Mantags, den 22. Juny anno 1562 gehalten.
Durch meines gnädigsten Fürsten und Hern Achtsman Hansen Drosten nach gespannem Gerichte gefraget, wo widt sich diß Gericht erstreike unnd wer demselben zu folgen schuldich sein.
Ingebracht Berendt Deiterdinck zu Rechte, uf dem Hove zu Nortem (1) an, an den midtlen Graven vor Rinteln, den mittlen Strom in der Weser, den Hof zu Dankersen, Vuelme, Eißbergen, olden Eißbergen (2), Helen (3), Veltem, Borlewessen (4) Molbergen, Ufflen, in den Hoven zu Hilverdinckkausen, Hempinckhausen, Nu die Wulffhagen (5) Holtorpffe (6), Vordessen (7), Venenbecke, Holdthaußen, in den Hagen zu Varenholtz (8), Loveldt, Apenhausen (9), Nammen und die Egge der Berges endtlanck biß wider an die Hove zu Norden.
Weiter ingebracht Joist Droste vor Recht, die Hochheit in diesem Gerichte gebur meinem genädigsten Fürsten und Hern von Minden, derselben Ambte zu Haus Berge und haben dainne zustraffen alles was straffens werdt sei, und das von wegen der Hocheit gefunden:……………….“
Dann folgen in dem Protokoll einige Fälle von Ausübung der Gerichtbarkeit an der Grenze gegen Schaumburg, die beweisen sollen, dass die Hoheit des Amtes Hausberge bis zum „Mittleren Graben vor Rinteln“ reicht.
Erläuterungen:
(1) Nortem = Northeim= wüst gefallenes Dorf nördlich von Rinteln, vermutlich an der Stelle der Siedlung „Auf der Höhe“; hatte mindestens zwei Meier (größere Höfe), die vor den „Sieben Eichen“ zu Gericht gingen. Um 1450 schon wüst (aufgegeben).
(2) Olden Eißbergen = das frühere Westereisbergen am Eisberger Mühlenbach, damals schon wüst. In Westereisbergen lag ursprünglich auch das Gut Eisbergen.
(3) Helen = Bauerschaft Helen (Hehlen), in Veltheim aufgegangen; wird erwähnt, weil die Gemarkung zum Gogericht „Sieben Eichen“ gehörte.
(4) Borlewessen = Borlefzen, am Südhang des Buhns.
(5) Hilverdinckhausen, Hempinckhausen, Wulfhagen = Wüstungen zwischen Uffeln und Holtrup
(6) Holtorpffe = Holtrup
(7) Vordessen = Voessen, zu Holtrup gehörende Bauernschaft.
(8) In den Hagen zu Varenholtz = auch bezeichnet: „in den Hagen vornholte“ = zwischen Veltheimer Holz und Hausberge, heutiges Tielosen
(9) Apenhausen = Ahmserort
Alle Vorstellungen und Verhandlungen des Amtes Hausberge und der Mindener blieben erfolglos, der Schnadbach in Fülme blieb die Grenze zwischen dem Bistum Munden und der Grafschaft Schaumburg.
Strittig war auch die Zugehörigkeit der südlich der Weser gelegenen Teile der Eisberger Gemarkung. Auch hier behaupteten die Schaumburger Hoheitsrechte, die erst im 19. Jahrhundert von Hessen an Preußen abgetreten wurden. Für die Eisberger hatte das der preußischen Landeshoheit und Rechtsprechung entzogene Gebiet „über der Weser“ eine besondere Bedeutung. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entzogen sich die jungen Männer dem Zugriff der rücksichtslosen Werber und Häscher des preußischen Militärs, indem sie sich in den Schutzhütten südlich der Weser so  lange verborgen hielten bis die Luft wieder rein war.
Es gab noch eine weitere Eisberger Besonderheit. Seit 1749 hatte der Gutsherr von Eisbergen die „Civil- und Unterjurisdiction“ für seine Eigenbehörigen. Wahrscheinlich hatte er die niedere Gerichtsbarkeit vom Amt Hausberge gleichzeitig mit dem Kauf oder kurz nach dem Kauf des Ritterguts erworben. Als Ausgleich für die anfallenden Strafgelder musste er jährlich eine bestimmte Summe in die Amtskasse zahlen.
Zu dem Zeitpunkt gab es das Gogericht „Sieben Eichen“ schon nicht mehr. Es endete wohl mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges. Der letzte namentlich bekannte Gograf und Richter war der im Grenzprotokoll genannte Johann Vincke.
Über den genauen Platz des damaligen Gogerichts in Veltheim gibt es unterschiedliche Auffassungen. Im Sprachgebrauch wurde der Bereich an der Veltheimer Straße von der Schule bis zum Heckerfeld genannt. Der frühere Veltheimer Pastor und Heimatforscher Ernst Niemann vermutete die „Sieben Eichen“ auf der Anhöhe zwischen der Schule Veltheim II und Homeier Nr. 86 (heute Veltheimer Straße 280). Der als Heimatforscher bekannte Lehrer Mohme (Schule Veltheim II) vermutete den Platz weiter nördlich am Feldweg zwischen Sprengelweg und Sieben Eichen in Höhe „Buschmanns Hof“.   Dort gab es auch noch im 20. Jahrhundert einen Bestand an Eichenbäumen.


Quellen:
Reese, Hans; Aufsatz;  März 1991
Blotevogel, Heinrich; Studien zur territorialen Entwicklung des ehemaligen Fürstentum Minden; 1939; Selbstverlag
Wiegmann, W; Heimatkunde des Fürstentums Schaumburg-Lippe; Stadthagen 1912; 1990 Hameln.“

 
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