Die Bockwindmühle auf dem Mühlenbrink
(von Reinhold Kölling)
Die Bockwindmühle auf dem Mühlenbrink an der Grenze zwischen Veltheim, Eisbergen und Lohfeld (Dreiländereck) wurde 1723 erbaut. Dazu gibt es eine Erzählung, die der letzte Müller Karl Stolze, geboren am 8. Juni 1892 in Neesen, immer gern erzählte: Die Mühle sei damals von zwei reichen Damen aus Amerika gestiftet worden. Das habe ihm sein Vater (Karl Heinrich Wilhelm, geboren am 27. März 1856 in Hannover, dieser kaufte die Mühle 1892/93) so berichtet. Diese Mühle hätte noch zwei Gefährten gehabt, die Mühle auf dem Bokshorn und die Kerkenmühle in Eisbergen. Alle drei Mühlen seinen von diesen Damen gestiftet und dann an das Gut Eisbergen verschenkt worden.
Diese Darstellung ist aber wohl eine frei erfundene Geschichte.
Richtig hingegen ist: Die Mühle auf dem Bokshornberg wurde erst 1850 gebaut, und zwar als „Holländer Mühle“, nicht als Bockmühle. Sie ist auch nie im Besitz des Gutes Eisbergen gewesen.
Die „Kerkenmühle“ in Eisbergen, meistens „Olenkerker Mühle“ genannt, war zumindest bis 1850 eine Doppelmühle und bestand aus einer Bockmühle und einer Wassermühle. Diese Mühle gehörte dem Rittergut Eisbergen.
Da 1723 die Besiedlung Nordamerikas durch Europäer noch nicht so umfangreich war, ist es wenig wahrscheinlich, dass von dort reich gewordene Damen nach Europa zurückkamen, um hier Mühlen zu stiften.
Der Ursprung dieser Familienüberlieferung ist wohl der, dass sich Familie Stolze mit allen drei Mühlen eng verbunden fühlte und sie darum in einer gemeinsamen „Gründungslegende“ zusammen¬zufassen versuchte. Einer der Vorfahren des letzten Müllers Karl Stolze, der Großvater Heinrich Stolze, geboren im Jahr 1800, war von 1830 bis 1848 Pächter der gutseigenen Olenkerker Mühle in Eisbergen. 1850 kaufte dieser Heinrich Stolze die neu errichtete Holländer Windmühle auf dem Bokshorn. Die Bockmühle auf dem Mühlenbrink ist 1892 durch Kauf ebenfalls in die Hände der Familie Stolze gelangt.
Die Eigentumsfolge der Bockmühle auf dem Mühlenbrink gestaltet sich wie folgt:
- der preußische Staat (erster Eigentümer), der sie wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an das Rittergut Eisbergen verkaufte
- das Rittergut Eisbergen bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus
- Müller Koch (wurde von Karl Stolze so berichtet)
- Müller Ludwig Horstmann aus Nordhemmern
- der Vater von Karl Stolze, der die Mühle 1892 von Horstmann kaufte und diese später an seinen Sohn Karl Stolze, den letzten Müller dort, übertrug
Im Rezess in der Separationssache Veltheim (Verkoppelung) 1890/91 wird der Weg zur Bockmühle mit „Weg an der Horstmann’schen Mühle“ bezeichnet.
Als Eigentümer der Stätte Lohfeld Nr. 66 wird genannt: Beuke, jetzt Karl Stolze, Müller zu Lohfeld.
Das Baujahr 1723 lässt vermuten, dass der Bau im Zusammenhang mit der Neuordnung des Mühlenwesens während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. (Soldatenkönig) im Jahre 1721 zu sehen ist. Mit dieser Neuordnung hatte der Staat eine Art Mühlenmonopol gegründet, das ihm den alleinigen Besitz von Mühlen auf dem platten Lande sicherte. Um die vorgesehene gesicherte Versorgung der Bevölkerung mit Mahlgut zu gewährleisten, waren in unserer Region wohl die mit Wind betriebenen Mühlen besser geeignet als Wassermühlen.
Die Kapazität der Bockmühle wird 1843 mit vier Scheffeln täglich angegeben. Zusammen mit der Wassermühle auf der Lüchte, die von November bis Mai ein Scheffel täglich liefern konnte, reichte das soeben aus, um den Bedarf der Veltheimer etwa zur Hälfte zu decken. Die andere Hälfte lieferten vor allem die Olenkerker Mühle aus Eisbergen und die Möllberger Mühle, ab 1852 dann verstärkt die neue Holländer Mühle auf dem Bokshorn.
Karl Stolze, der mit viel Liebe an seiner Mühle hing, betrieb die Lohnmüllerei bis 1952. In den letzten Jahrzehnten wurde die Mühle allerdings meist nur noch mit einem Elektromotor angetrieben. Für den Eigenbedarf mahlte Müller Stolze noch bis zum letzten Tag der Mühle.
Bereits seit ca. 1955 hatte Stolze versucht, seine Mühle unter Denkmalschutz stellen zu lassen, um öffentliche Mittel zu deren Erhaltung zu bekommen. Von Jahr zu Jahr merkte man dem Bauwerk das Alter mehr an.
Als schließlich Ende 1959 der Landeskonservator, der Kreis Minden und die Gemeinde Veltheim Geld zur Restaurierung in Aussicht stellten, um die Sanierung der Mühle in Angriff zu nehmen, war es zu spät: Ein Gewittersturm brachte die altersschwache Mühle am 18. Mai 1960 zum Einsturz. Veltheim hatte sein Wahrzeichen für immer verloren.
Im Neubau der Veltheimer Gemeinschaftsschule (1958) war die Bockwindmühle noch in einem Glasfenster verewigt worden.
Das Glasfenster wurde beim letzten Umbau der Schule vom Ortsheimatpfleger Reinhold Kölling vor der Vernichtung gerettet und hat heute seinen Platz in der Heimatstube des Heimatvereins (siehe Foto). Einige weitere wertvolle Teile konnten aus den Trümmern geborgen werden.
Als Müller Stolze aus Altersgründen den Mühlenplatz nicht mehr pflegen konnte, übernahm 1980 die Stadt Porta das Mühlengelände und schuf einen Aussichtsplatz. Der mächtige eichene Hausbaum der Mühle, ein paar Kammräder und Mühlsteine wurden als letzte Reste der Mühle aufgestellt. Der Heimatverein stellte dazu ein Hinweisschild auf.
Der Aussichtsplatz wurde am 20. Juni 1981 mit einem vom Schützenverein Veltheim organisierte Mühlenfest eingeweiht. Die Lage des Platzes im sogenannten „Dreiländereck“ (die Mühle stand auf Veltheimer, das Wohnhaus des Müllers auf Lohfelder Gebiet), war für ein Fest aller drei Ortsteile (Veltheim, Eisbergen, Lohfeld) prädestiniert. Und so fand viele Jahre das Mühlenfest dort statt (mehr dazu in der Chronik des Schützenvereins).
Abschließend noch zwei Vermerke aus der Gemeindechronik von Eisbergen:
Am 20. July 1849 sante die Frau Piel ihren 13-jährigen Sohn namens August nach der sogenannten Veltheimer Windmühle um Mehl zu holen. Derselbe wird vom Kamrade gefaßt, wodurch ihn Arm und Kopf verschmettert, und blieb auf der Stelle Tod.
Am 14. August 1824 nachmittags 4 Uhr wurde Heinrich Henke, Müllergeselle von Bleten im hannoverschen Amte Ruthe, auf der obern Windmühle bei Lohfeld vom Blitz erschlagen. Er war 22 Jahre alt und wurde den 16 August hier begraben
(von Reinhold Kölling)
Die Wassermühle am Südhang der Lüchte, Veltheim Nr. 129, anschließend Lüchte Nr. 48, ab 1973 Zur Lüchte 96 wurde bis etwa 1960 von Heinz Röckemann betrieben, in den letzten Jahren allerdings mit Motorantrieb. Dann stellte Röckemann seinen Betrieb auf einen Baustoffhandel um, da die kleinen Mühlen mit den Großmühlen nicht mehr konkurrieren konnten. Der Mühlenteich lag auf der Nordseite des Grundstücks und wurde vom Mühlenbach gespeist, der unterhalb des Teiches nach der Staustufe als Bachlauf weiter den Hang hinunterfloss und schließlich in die Weser mündete. Der Teich selbst wurde später bei der Erweiterung des Baustoffhandels nahezu trockengelegt, damit die Flächen als Lagerplatz genutzt werden konnten. Der Bachlauf wurde zum Teil verrohrt, dieser tritt erst im Tal wieder als Bachlauf in Erscheinung.
Wann entstand diese Mühle? Das ist einem Schreiben vom 22. August 1822 an die „wohllöbliche landräthliche Verwaltung des Kreises Minden“ zu entnehmen. Hier leitete die Kantonsverwaltung Hausberge einen Antrag vom Colon Schröder oder Nermann Nr. 29 in Veltheim weiter. In diesem Schreiben sind folgende Zeilen aufgeführt:
Der Colon Schröder Nr. 29 in Veltheim beabsichtigt auf seinem Königlich eigenbehörigen Colonat eine oberschlägige Waßermühle mit einem Mahlgang anzulegen, und hat mir ersucht, dieses Euer Königl. Wohllöbl. Landräthl. Verwaltung anzuzeigen, damit die nach § 6 des Gesetzes vom 28. October 1810 deshalb gegebenen Vorschriften eingeleitet und erfüllet werden mögen. Indem ich mich dießem Antrag hierdurch entledige bemerke ich gehorsamst, daß die beabsichtigte Anlage, so wie er mir angezeigt, in seinem Gehöfte nahe am Wohnhause und ganz in seinem Eigenthum, worin selbst die Quellen so daß Wasser zur Mühle liefern liegen, fällt und überall von seinen Grundstücken eingeschloßen. Es sind noch Merkmale vorhanden, woraus mit Grund zu schließen ist, daß früherhin wann nicht zwey doch wenigstens eine ähnliche Mühle daselbst vorhanden gewesen. Der Abfluß der Quellen vereinigt sich mit einem aus dem Dorf kommenden kleinen Bach, und zieht sich so nach der Weser. Die zunächst angrenzenden Nachbarn sind der Neubauer Moritz Bake Nr. 94 und der Neubauer Hans Heinrich Bake, welcher erst im Jahr 1821 auf Gemeinheitsgründen angebauet hat.
Hiermit gebe ich Weitere dem Ermeßen Euer Wohllöbl. Landräthl. Verwaltung gehorsamst anheim.
D.K.C Gellern
Mit Schreiben vom 13. Januar 1824, das in vollem Text vorliegt, aber hier nicht vollständig ausgeführt werden soll, erteilte die Königlich Preußische Regierung, gezeichnet von Nanck und Nordenpflicht, die „Concession“ zur Anlage dieser Wassermühle mit gewissen Auflagen. Dass in Veltheim damals Bedarf an einer weiteren Mühle bestand, lässt sich aus folgendem Vorgang schließen: 1818 beantragte der Colon Neermann Nr. 9 in Möllbergen die Concession einer Windmühle auf seinen Grundstücken auf dem sogenannten Neermanns Steinbrink, und zwar als „Mahl- und Ölmühle“. Gegen die Ein¬sprüche Holzhauser und Möllberger Mühlenbetreiber befürwortete das Amt Hausberge den Bau der geplanten Mühlenanlage. Der Landrat forderte aber zunächst vom Amt eine Aufstellung aller Mühlen im Umkreis von 1 bis 2 Stunden.
Das Amt legte dann folgende Aufstellung vor, in der u. a. folgende Mühlen genannt werden:
- Die Wassermühle des Colon Möhlemeyer Nr. 1 zu Möllbergen, ¼ Stunde Entfernung.
- Die Buhnmühle, so der Müller Brand in Erbpacht hält, ¼ Stunde Entfernung. Beyde Mühlen werden zum Theil von Veltheim und Möllbergen genutzt.
- Die Veltheimer Windmühle (Anm. die Bockwindmühle) 1 ½ Stunden entfernt, wird von Veltheim mit 740 Seelen und zum Theil von Lohfeldt mit 398 Seelen benutzt.
Daraufhin bekam Neermann die „Concession“.
Am 23. und 24. September 1823 wurde eine Bekanntmachung ausgehängt, die den Bau der Wassermühle bei Veltheim Nr. 29 anzeigte, u. a. an der Kirche in Veltheim, beim Vorsteher Edler, in Eisbergen und Möllbergen, zudem im Amtsblatt und in den „Paderborner Intelligenten Blättern“.
Die Wassermühle Veltheim Nr. 29 hatte später weitere Besitzer: 1831 wird als Besitzer genannt: Christian Vogt oder Schröders Witwe Wartling Nr. 29. 1844 wird als Besitzer genannt: Prasuhn.
In einem Veltheimer Einwohnerverzeichnis von 1864 wird unter der Hausnummer 129 genannt: Heinerich Degenhardt (Müller). Aus dem Verzeichnis geht nicht hervor, ob dieser Besitzer oder nur Pächter der Mühle war. Die Tatsache, dass die Mühle jetzt unter der Hausnummer 129 geführt wurde, lässt darauf schließen, dass die Erben des Wartling oder Schröder die Mühle verkauft haben, sodass sie nun als eigenes Anwesen geführt wurde.
Bei Degenhardt könnte es sich um einen Sohn oder sonstigen Abkömmling des Müllers Degenhardt aus Vennebeck gehandelt haben, der in den dreißiger oder vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Müller in Vennebeck genannt wurde.
Im Rezess in der Separationssache Veltheim (Verkopplung) 1890/91 wurde als Besitzer der Stätte Nr. 129 der Müller Wilhelm Röckemann genannt. In seinem Schreiben vom 22. August 1822 vermutete der Kantonsbeamte Gellern, dass an der Stelle der geplanten neuen Wassermühle bereits früher eine Mühle gestanden haben muss. Diese Vermutung bestätigte sich später, denn in einem Vermerk im „revidierten Kataster der Kriegs- und Domänenkammer Minden, abgeschlossen am 20.9.1745, ergänzt 1751“ heißt es bei der Stätte Veltheim Nr. 94:
Jobst Heinrich Backe, dem von Schellersheim eigen, wohnt in der Mühle so auf der Gemeinheit lieget und hat gar kein Land, ist ein Schneider …
Daraus ist zu folgern: Am Südwestabhang der Lüchte hat in früherer Zeit tatsächlich bereits eine Wassermühle gestanden. Diese war um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Besitz derer von Schellersheim, wobei offenbleibt, ob sie zum Holzhauser Besitz oder zum Eisberger Besitz derer von Schellersheim gehörte. Die Mühle war in den Jahren 1745 bis 1751 offensichtlich nicht mehr in Betrieb, sonst wäre kaum verständlich, dass Jobst Heinrich Backe (Bake) in der Mühle wohnte, da er ja kein Müller, sondern Schneider war. Aus den Jahren 1831, 1843 und 1844 gibt es zu der Wassermühle Vermerke zur Beschaffenheit und zur sogenannten Bedarfserhebung, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Aber schon 1824 ist einem Vermerk zu entnehmen, dass die Mühle während der Sommermonate nicht betrieben werden konnte, da der Wasserzufluss nicht ausreichte.
Nachdem der letzte Müller Heinz Röckemann den Mahlbetrieb durch einen Baustoffhandel ersetzt und diesen später aus Altersgründen an ein Mindener Unternehmen verkauft hatte (dieser betrieb den Handel zunächst in der alten Mühle von Röckemann weiter), mietete sich der Raumausstatter Diekmann ein, als der Baustoffhandel in neu erbaute Räume an die Ravensberger Straße umzog. Nach der Verlagerung der Raumausstattung nach Eisbergen stand das Gebäude (bis auf die Wohnung) einige Zeit leer. 2018 wurde das gesamte Gebäude an einen Privatmann verkauft, der jetzt im Begriff ist, das gesamte Gebäude zu einem Mehrfamilien-Wohnhaus umzuwandeln.
Die Windmühle auf dem Bokshornberg
(von Reinhold Kölling)
Dem Brinksitzer Taake (Tacke) Nr. 37 in Veltheim war bei der Teilung der Veltheimer Mark 1839 (Abschluss des Rezesses 1849) ein Markenteil von 26 Morgen Gesamtfläche zugeteilt worden. Der Wert der Abfindung für Brinksitzer war auf 340 Taler festgelegt worden. Bei der Zumessung der Abfindung wurden die Größe der zugeteilten Grundstücke, die Güte des Bodens und der Wert des derzeitigen Holzbestandes zugrunde gelegt. Die flächenmäßig außerordentlich große Abfindung des Taake – sie war drittgrößte unter mehr als hundert Markenberechtigten – lässt erkennen, dass die zugeteilten Grundstücke nur von geringem Wert waren, z. T. sogar aus Öd- und Unland bestanden. Taakes Abfindungsgrundstücke lagen jedoch auf der Bergkuppe des Bokshorn (124 m ü. NN), einem hervorragenden Standort für eine Windmühle.
1850 beantragte Taake die Genehmigung zum Bau einer massiven Holländer Windmühle. Taake war aber selbst kein Müller. Darum ist anzunehmen, dass die Mühle nach Fertigstellung verkauft oder verpachtet werden sollte. Taake soll bei Antragstellung auch schon einen festen Interessenten gehabt haben, eben den Müller Stolze, ehemals Pächter der Olenkerker Mühle in Eisbergen.
Nach Ablauf der Pacht 1848 war Johann Heinrich Conrad Stolze (geboren am 1. Januar 1798 in Bledem, Königreich Hannover) nämlich auf der Suche nach einer neuen Existenz als Müller. Im Protokollbuch der Kirchengemeinde Eisbergen ist am 28. Mai 1848 vermerkt:
"Der Müller Stolze hieselbst hielt beim hiesigen Presbyterium um die Genehmigung an, auf dem Ackerland des Colon Schnathorst Nr. 42 hieselbst am Papagei gelegen, woselbst auch die Pfarrwittwenthums-Ländereien angränzen, daselbst eine Windmühle erbauern zu dürfen. Das Presbyterium erklärte darauf, daß es gegen die Errichtung einer Windmühle daselbst nichts einzuwenden habe. Nur dürfe derselbe kein Wohnhaus errichten, weil dieses die Gemeinde auch nicht erlauben würde. Auch dürfe in der Mühle keine Familien-Wohnung und auch kein Viehstall errichtet werden.
Das Presbyterium, gez. Westermann, Scheper, Driftmann, Schnepel, Backhaus, Pfarrer Voß"
Darum versuchte Stolze es in Veltheim. Der Bokshorn als Standort bot sich geradezu an. Zudem war den Stellungnahmen des Veltheimer Gemeinderats zu entnehmen, dass zu der Zeit der Bedarf an einer weiteren Mühle groß war. Warum allerdings Stolze zunächst im Genehmigungsverfahren im Hintergrund blieb, ist unklar. Jedenfalls kaufte er die von Taake im Rohbau fertiggestellte Mühle nebst drei Morgen Land 1850 zum Preis von 300 Talern. Die eigentliche Einrichtung und den Ausbau der Mühle übernahm Stolze als Fachmann selbst. Um seine Niederlassung in Veltheim musste der Müller Stolze aber lange kämpfen.
Zum Genehmigungsverfahren des Mühlenbaus auf dem Bokshorn gibt es noch eine umfangreiche Handakte, die hier allerdings nicht weiter ausgeführt werden soll. Für die Gemeinde handelte damals der Vorsteher Korff. Die Erschließung des Grundstücks auf dem Bokshorn erfolgte mit einem „Fußweg von Veltheim nach Hausberge“ über den Bokshornberg.
Im August 1852 zog Stolze mit seiner Familie in die Bokshorn-Mühle ein und begann – und zwar ohne Baugenehmigung – mit dem Bau des Wohnhauses, um seiner Familie noch vor Beginn des Winters eine Unterkunft zu schaffen. Außerdem kaufte er von Taake weitere Grundstücke, sodass er schließlich über 13 Morgen Grundbesitz in Veltheim verfügte. Allerdings handelte es sich überwiegend um Ödland und Flächen mit wenig ertragreichen Böden. Die Gründe, weshalb Stolze sich zunächst im Hintergrund hielt und Taake den Rohbau der Mühle erstellen ließ, wurden nach und nach bekannt:
- Die Abweisung, in Eisbergen ein Wohnhaus zu bauen.
- Offensichtlich hatte er nicht den besten Ruf.
- Stolze war kein preußischer Untertan und befürchtete, dass er als „Ausländer“ schon bei der Genehmigung zum Bau der Mühle erhebliche Schwierigkeiten bekommen würde.
Nach dem Erwerb der Mühle bemühte sich Stolze nun, das preußische Bürgerrecht zu erhalten, das Voraussetzung für seine dauernde Niederlassung in Veltheim und für die Aufnahme eines selbstständigen Gewerbes war. Fast fünf Jahre lang beschäftigten seine wiederholten Anträge, Eingaben, Berichte, Weisungen, Stellungnahmen, Rückfragen, Entscheidungsvorschläge und andere Schriftstücke den Gemeinderat Veltheim, das Amt Hausberge, das Landratsamt Minden, die Regierung in Minden sowie den kurhessischen Behörden in Rinteln. Dazu kamen Vorführungen durch die Polizei, Gefängnishaft wegen Verweigerung des Offenbarungs¬eides sowie die Verhaftung von Stolzes ältestem Sohn, der sich dem kurhessischen Militärdienst entzogen hatte, und schließlich die Auslieferung des Sohnes an die kurhessischen Behörden.
Zu diesen Vorgängen gibt es im Archiv eine gewichtige Akte: „Der Kampf des Müllers Heinrich Stolze um seine Einbürgerung in Velt¬heim; Müller zwischen den Mahlsteinen der Behörden.“ In Gänze kann der Schriftverkehr dieser Akte hier nicht ausgebreitet werden, deshalb ein zusammengefasster Bericht, der aber einen guten Einblick in die damalige Zeit zulässt. Diese Akte ist in mehrfacher Hinsicht über den eigentlichen Verhandlungsstand hinaus interessant. Die Unterlagen (der Schriftverkehr etc.) vermitteln einen Einblick in die kümmerlichen Lebensverhältnisse um die Mitte des vorigen Jahrhunderts, so z. B. bei der amtlich taxierten Vermögensaufstellung Stolzes, in der auch der Wert seines Hausrates berechnet wird. 30 Pfund gebraktes Flachs, ein Backtrog, zwei eiserne Töpfe, ein Waschzuber, drei Wassereimer, eine Axt und eine Kwärsäge und Kleinteile – die gesamte Aufstellung passte auf einen kleinen Schreibbogen.
Auch die Behandlung Stolzes als Ausländer und die sich darauf gründende Ablehnung durch den Veltheimer Gemeinderat können wir uns heute im Zeitalter einer europäischen Union kaum noch vorstellen. Schließlich sind viele Schriftstücke vom Stil und der Ausdrucksweise her lesenswert, wie z. B. die Protokolle über die Sitzungen der Veltheimer Gemeindeverordneten oder die „gehorsamsten Berichte“ an die „Hochwohlgeborenen Vorgesetzten“.
Stolze, geboren 1800, stammte aus dem Königreich Hannover und hatte nach seiner Heirat (1822) eine Windmühle in Engern bei Rinteln (Grafschaft Schaumburg – Kurfürstentum Hessen) gekauft. 1830 verkaufte er die Mühle und zog nach Eisbergen, wo er für einen Zeitraum von 18 Jahren die gutseigene „Olenkerker Mühle“ pachtete. 1848 lief die Pacht aus, das Pachtverhältnis wurde nicht verlängert. Gründe dafür sind nicht bekannt. Jedenfalls stand Stolze im Alter von 48 Jahren und als Vater von zehn Kindern vor dem Nichts. Zunächst versuchte er, sich in Eisbergen durch den Bau einer neuen Mühle eine neue Existenz zu schaffen, doch die Eisberger Gemeindeverordneten lehnten ab, weil es in Eisbergen schon zwei Windmühlen und vier Wassermühlen gebe und eine neue Mühle ihren Eigentümer oder Pächter nicht ernähren könne. In einem Protokoll der Verordneten ist zu lesen:
"In der Regel werden die Pächter bankrot und laufen davon. Diesen letzten Michaelis ist wieder einer aus der Mühle namens Stolze gezogen, welcher auch arm und sich hier in der Gemeinde noch aufhält mit zehn Kindern, wird diese Familie nicht bald über die Grenze gebracht, so müssen wir sie auch ernähren."
Nachdem der Bau bzw. der Erwerb der Mühle in Eisbergen nicht gelungen war, arbeitete Stolze nach eigenen Angaben zwei Jahre lang als Tagelöhner in Eisbergen, lebte also von Gelegenheitsarbeiten. Dann bot sich ihm mit dem schon erwähnten Kauf der neuen Bokshorn-Mühle in Veltheim die Möglichkeit zur Gründung einer neuen Existenz als Müller. Stolze baute die im Rohbau gekaufte Mühle aus, sodass diese 1852 betriebsbereit war. Einige Zeit danach kam der 12-jährige Sohn des Müllers an der Mühle zu Tode, als dieser von einem Mühlenflügel getroffen wurde.
Obwohl Stolze schon seit mehr als 20 Jahren im preußischen Staatsgebiet gewohnt hatte, verfügte er nicht über die preußischen Bürgerrechte. Er hatte sich auch nicht darum bemüht.
Stolze war also weiterhin kurhessischer Untertan geblieben und galt in Preußen als „Ausländer“. Bei der von ihm nun beantragten Einbürgerung wurden ihm erhebliche Schwierigkeiten gemacht, mit denen er offensichtlich nicht gerechnet hatte. Mit Nachdruck sprachen sich die Veltheimer Gemeindeverordneten gegen die Aufnahme in den preußischen Untertanen-Verband aus. Protokollnotiz: Man könne Stolzes Mühle in Veltheim nicht entbehren, aber einen solchen Menschen, der gegen die Gesetze verstieße, wohl wegen des Wohnhausbaus ohne Genehmigung, wegen Nichtbeachtung amtlicher Vorladungen, könne man in Veltheim nicht gebrauchen.
Dass die Bedenken und Vorbehalte der Veltheimer auch hinsichtlich der Vermögensverhältnisse nicht unberechtigt waren, belegen diverse Unterlagen über Bauschulden, Schuldscheine etc. Der Kreis-Amtmann in Hausberge stellte fest, der Stolzesche Grund¬besitz sei über die Maße verschuldet und könne kaum noch sein Eigentum genannt werden.
Stolze spielte in diese Phase auf Zeitgewinn und hatte eine wohlüberlegte Taktik zur Nutzung von Fristverlängerungen etc. Er ignorierte Vorladungen, polizeiliche Vorführungen, auch persönliche Demütigungen. Nach einem mehrjährigen Hin und Her wurde Stolzes Antrag auf Einbürgerung von der Regierung in Minden abgelehnt. Erst dann besorgte er sich einen sogenannten „Heimatschein“ bei der Rintelner Behörde. Damit bestätigte diese die Zugehörigkeit Stolzes zum kurhessischen Untertanen-Verband und verpflichtete sich damit, ihn und seine Familie wieder aufzunehmen, wenn er seiner jetzigen Wohngemeinde (also Veltheim) aufgrund von Armut zur Last fallen würde. Als er diesen Schein in Veltheim vorlegte, konnte er sich gewissermaßen auf Widerruf im Ort aufhalten und seinem Gewerbe nachgehen.
Über den weiteren Lebensweg Stolzes geben die Akten keine Auskunft. Bekannt ist aber, dass die kaum fertiggestellte Mühle schon 1855 weitgehend abbrannte. Die Amtsverwaltung in Hausberge hatte den Verdacht, dass Stolze die Mühle selbst angezündet habe, und erstattete entsprechende Meldung an die Staatsanwaltschaft. Da man aber keinen Nachweis über eine angebliche Brandstiftung erbringen konnte, wurden die Ermittlungen eingestellt. Die „Provinzial Feuer-Societät“, bei der die Mühle versichert war, übernahm die Regulierung in einer Höhe von 1230 Talern.
Nach dem Wiederaufbau der Mühle ist es Stolze offensichtlich gelungen, sich als Müller in Veltheim durchzusetzen. Er hat sich wohl genauso zäh und unbeirrt in seinem Beruf als Müller durchgesetzt, wie er zuvor um seine Einbürgerung gekämpft hatte. Da die beiden anderen Mühlen in Veltheim, die Wassermühle an der Lüchte und die Bockwindmühle auf dem Mühlenbrink, nicht leistungsfähig genug waren, um die Veltheimer mit Mehl zu versorgen, nutzte er die sich die ihm bietende Chance.
Der zähe Kampf Stolzes ist vor dem Hintergrund der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation der damaligen Zeit zu sehen und zu verstehen. 1847 hatte es eine Missernte gegeben, die europaweit eine erschreckende Hungersnot zur Folge hatte. So stieg der Preis für Roggen in der Zeit von 1844 bis 1847 auf das Vier¬fache, der für Weizen auf das Sechsfache und der Kartoffelpreis auf mehr als das Fünffache.
Nur wenige Jahrzehnte nachdem Stolze die Bokshorn-Mühle gekauft hatte, waren Nachkommen Stolzes im Besitz von mindestens drei Mühlen in Veltheim oder in dessen Nachbardörfern:
- der Möllberger Windmühle (Baujahr 1818)
- der Bockwindmühle auf dem Veltheimer Mühlenbrink (Karl Heinrich Wilhelm Stolze, geboren am 27. März 1856)
- der Windmühle im Hehler Feld (Carl Stolze, geboren 1844, durch Kauf 1882 [?] Baujahr 1830 [?] Mit 83 Ar Grundfläche)
1870 wurden die Reste der Bokshorn-Mühle mithilfe der Mindener Pioniere abgerissen. Zuvor sollen Bauteile in der Mühle im „Hehler Feld“ verbaut worden sein.
1882 wurde die Kiesgrube Bokshorn durch den Bergrat Heinrich Franke gegründet. Zu dieser Zeit wurde auch Stolzes Grundbesitz auf dem Bokshornberg an Franke verkauft. Später kieste man den gesamten Berg aus.
Die Ölmühle Freding Nr. 34
v. Reinhold Kölling
In einem Schriftstück von 1824 werden die im Amt Hausberge befindlichen Ölmühlen genannt, u. a. die Ölmühle des Colon Freding, Veltheim 34.
Vermerk vom 20. August 1824: Der Kantonsbeamte Gellern beauftragt die Ortsvorsteher, die Besitzer von Ölmühlen auf die vorschriftsmäßige Ausstattung der Ölmühlen zu verweisen. Aufgeführt werden u. a.:
- Vorsteher Edler in Veltheim den Colon Freding Nr. 34
- Vorsteher Henning in Lohfeld den Colon Hohmeyer Nr. 7
daselbst.
Bei der Ölmühle des Freding Nr. 34 in Veltheim wird es sich um eine durch Pferdekraft angetriebene Ölmühle (Rossmühle) gehandelt haben. Ölmühlen dienten der Gewinnung von Leinöl, das damals bei der täglichen Ernährung eine wesentlich größere Bedeutung hatte als heute. Leinsaat fiel bei dem früher verbreiteten Anbau von Flachs regelmäßig an.
Zum Antrieb der Mühle ist festzustellen, dass Wasserantrieb wegen fehlender Wasserläufe bei der Hofstelle Nr. 34 ausscheidet, Windantrieb in unmittelbarer Nähe des alten Ortskerns ebenfalls unwahrscheinlich war.
Heute befinden sich auf der Stätte zwei Wohnhäuser.
(v. Reinhold Kölling)
Die Geschichte dieser Mühle, die auch heute noch ein schönes Bild abgibt, ist nicht genau dokumentiert. Hierzu gab es in der Vergangenheit unterschiedliche Berichte und Aussagen. Das Erforschen der Zusammenhänge gleicht einem Puzzlespiel. Anhand einiger Recherchen (auch mithilfe von Helmut Stolze, der sich sehr mit der Erforschung der Familiengeschichte befasst hat) ist nun aber wohl das Puzzle zusammengefügt.
Carl Stolze, Sohn des Johann Heinrich Conrad Stolze (Bokshorn-Mühle), geboren 1844 in Engelbostel, kaufte 1882 die Mühle im Hehler Feld. Wer diese Mühle 1830 gebaut hatte und welcher Art diese war, konnte nicht ergründet werden. Aktenkundig ist jedenfalls in der Verkoppelungsakte am 11. Dezember 1899, dass als Eigentümer des Grundstücks mit der Größe 83 Ar und 68 qm der Müller Karl Stolze genannt wird. In einer Flurkarte ist diese Mühle im Hehler Feld schon eingezeichnet.
Beim weiteren Ausbau dieser Mühle durch Carl Stolze sollen Bauteile der abgebrannten und zunächst wieder aufgebauten Bokshorn-Mühle verwandt worden sein, bevor diese 1870 abgerissen wurde. Nicht geklärt werden konnte, ob diese Teile schon vor dem Eigentumswechsel 1882 verbaut oder zunächst zwischengelagert wurden. Aus Berichten früherer Heimatforscher und von Erzählungen älterer Veltheimer Mitbewohner ist bekannt, dass die Mühle um 1900 von einem Blitz getroffen und vernichtet wurde. Schriftliche Dokumentationen dazu habe ich nicht gefunden. 1903 wurde die Mühle wiederaufgebaut; dies ist auch auf einem verbauten beschrifteten Stein an der Mühle dokumentiert. Seit diesem Zeitpunkt ist sie eine sogenannte „Wallholländer Mühle“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Mühle zunächst mit einem Dieselmotor, ab 1954 mit einem Elektromotor betrieben. Der Müller Carl Stolze verstarb 1907, die Mühle erbte zunächst sein Sohn Karl-Friedrich, der allerdings 1945 bei einem Überfall durch Polen ermordet wurde. Dessen Sohn Heinrich, geboren 1901, übernahm daraufhin den Betrieb, da er den Meisterbrief als Müller besaß. Heinrich verlor sein Leben 1945 an der Ostfront. Der jetzige Eigentümer, dessen gleichnamiger Sohn, übernahm daraufhin den Mühlenbetrieb, den er bis 1963 aufrechterhielt.
1978 gründete sich im Kreis Minden-Lübbecke (Mühlenkreis) der Kreismühlenverein. Die Mühle kam mit in das Kreismühlenerhaltungsprogramm und konnte 1982/83 erste Sanierungsmaßnahmen erfahren.
Inzwischen gibt es die Mühlengruppe (siehe Kapitel „Mühlengruppe Veltheim“), die sich um den Erhalt der Mühle bemüht. Diese liegt direkt am beliebten Weserradweg und wird von den Radwegtouristen sehr gern besucht und fotografiert.
Wenn die Radler von Hannoversch Münden die Weser herauffahren, ist die Hehler-Feld-Mühle die erste des Mühlenkreises, die direkt ins Auge fällt.