Aufteilung der gemeinen Mark
Bewegung in die alten, seit Jahrhunderten bestehenden Strukturen der Dörfer brachte die Aufteilung der gemeinen Marken.
Die Markenteilung war für Veltheim von sehr großer Bedeutung und veränderte die bisherigen Siedlungsstrukturen enorm. Die Einleitung der Teilung der vier Hausberger (Vogtei Landwehr) Marken begann 1820.
Abbildung: Die Hausberger Marken vor ihrer Teilung; Skizze Hans Reese
Die Teilung der Veltheimer Mark 1839
Über tausend Jahre lang wurde die gemeine Mark von den Bauern des Dorfes gemeinschaftlich genutzt und bewirtschaftet. Die bäuerliche Wirtschaft des Mittelalters war ohne die gemeine Mark nicht denkbar.
Die Markenberechtigten hatten das Recht:
- zur Entnahme von Bau-, Nutz- und Brennholz,
- zur Hude mit allem Vieh, später z. T. Begrenzung auf eine bestimmte Zahl von Kühen und Rindern,
- zur Mast, besonders von Schweinen,
- zur Entnahme von Steinen, Lehm, Mergel, Sand und Grand (Kies),
- zur Entnahme von Plaggen (Plaggendüngung) und zum Laubsammeln (Laub als Streu für die Stallhaltung),
- zur Nutzung der stehenden und fließenden Gewässer,
- zum Flachsrösten und Viehtränken sowie zu „Nothteichen und zum Wasser holen“.
Für den Vieheintrieb und für die Holzentnahme waren bestimmte Beschränkungen festgelegt. Sie betrugen für Nutz- und Brennholz:
bei Vollmeiern 5 Fuder jährlich
bei Halbmeiern 3 Fuder jährlich
bei Köttern 2 Fuder jährlich
bei Brinksitzern 1 ½ Fuder jährlich
bei Neubauern, Leibzüchtern und Heuerlingen 1 Fuder jährlich
Für Pfarre und Küsterei waren ähnliche Nutzungsrechte festgelegt. So hatten z.B. Pfarrer und Küster freie Weide für Rinder und Schweine „so viel er halten will“.
Ausgenommen von der Nutzung durch die bäuerlichen Besitzer war die Schafweide. Schafe wurden nur von den Gütern gehalten. Auch die Jagd- und Fischereirechte waren dem Grundherrn und den Besitzern der Adelsgüter vorbehalten. Jagd war bis in die Neuzeit hinein ein Vorrecht des Adels.
Die gemeinschaftliche Nutzung der Mark durch die Markengenossen führte im Laufe der Zeit zu einer Überbeanspruchung und Ausnutzung.
Die Gründe dafür sind:
1. die Mark wurde immer kleiner. Die Ansiedlung der Markkötter und ihre unkontrollierbaren Rodungen ließen die Mark erheblich schrumpfen. Zur Zeit der Aufnahme des Urbars (1682) entfielen noch ca. 55 % der Gesamtfläche Veltheims auf die Mark; 1745 waren es noch gut 50 %; 1839 war der Anteil der Mark an der Gesamtfläche auf etwa 35 % gesunken,
2. die Mark wurde von einer schnell steigenden Zahl von Markengenossen und Neubauern genutzt. Veltheim hatte
1682 82 Wohnstätten
1745 94 Wohnstätten
1820 108 Wohnstätten
1839 120 Wohnstätten
Alle Inhaber dieser Wohnstätten hatten oder beanspruchten Nutzungsrechte an der Mark,
3. die kleiner werdende Mark wurde von den einzelnen Markengenossen immer intensiver genutzt. Besonders die Markkötter und Brinksitzer entnahmen in zunehmendem Maße Plaggen und Streu (Laub) aus der Mark. Der Boden verarmte. Der Vieheintrieb in die Mark stieg. 1745 wurden in Veltheim rund 260 Kühe und Rinder gehalten; 1840 waren es bereits 368 Stück Rindvieh.
In ähnlichem Umfang stieg die Schweinehaltung. Schweine wurden zur Mast vom Schweinehirten in die Mark getrieben.
Die Anzahl der Schweine in Veltheim:
1804: 160 Schweine, 1840: 252 Schweine.
Besonders schädlich wirkte sich die von den kleineren Besitzern in steigendem Maße betriebene Ziegenhaltung aus. Dass Ziegen das Aufkommen von Jungholz und Gebüsch sehr beeinträchtigen, ist bekannt.
Die immer intensivere Nutzung der ständig kleiner werdenden Mark durch immer mehr Markengenossen musste schließlich zu einer Überbeanspruchung und Ausbeutung der Mark und zu Streitigkeiten zwischen den Markengenossen führen. Besonders die Altbauern fühlten sich in ihren Rechten immer mehr eingeschränkt.
Schon 1765 gab die preußische Regierung eine „Circular - Ordre“ an sämtliche Kriegs- und Domänenkammern - den Vorläufern der heutigen Bezirksregierungen – heraus, in der Richtlinie für die Inangriffnahme der Gemeinheitsteilungen gegeben wurden. In Westfalen wurde 1821 die Gemeinheitsteilungsordnung erlassen.
Das Amt Hausberge hatte schon 1820 die Teilung der vier Marken in seinem Bereich eingeleitet. Bis zur Durchführung der Teilung vergingen allerdings noch fast 20 Jahre. Zeitraubende Vorbereitungen waren zu treffen: die Ansprüche der Markengenossen mussten geprüft, gegeneinander abgewogen und wertmäßig festgelegt werden. Die Brennholzansprüche der kirchlichen Einrichtungen (Pfarren zu Veltheim und Hausberge, Küsterei zu Veltheim) waren abzulösen bzw. zu kapitalisieren.
Die „Schafhudegerechtsame“ der Güter Eisbergen, Amorkamp (Holzhausen), Holzhausen (v. Oheimb zu Enke) und Rothenhoff (Costedt) sowie die „Holzungsgerechtsame“ des Forst-Fiskus und der Hausberger Bürgerstätten und Freihöfe mussten entweder durch Zuteilung von Grundstücken oder durch Geldabfindungen reguliert werden.
Schließlich mussten in der Mark neue Wege und Gräben angelegt und umfangreiche Vermessungsarbeiten durchgeführt werden. Die z. T. schwierigen Verhandlungen mit einer Vielzahl von Interessenten zogen sich über Jahre hin. 1839 konnte die Teilung endlich de facto durchgeführt werden; mit dem Abschluss des Rezesses im Jahre 1849 war sie dann auch rechtlich wirksam vollzogen.
Da dieser Vorgang für die spätere wirtschaftliche Entwicklung von Veltheim von außerordentlicher Bedeutung war, gehe ich diesem Vorgang noch in Einzelheiten nach. Hierzu gibt es in den Archiven Protokolle, die Lehrer Hans Reese intensiv ausgewertet hat.
Einzelheiten der Markenteilung aus dem Rezess:
Insgesamt wurden 1591 Morgen neu verteilt. 100 Morgen wurden für neue Wege und Gräben benötigt. Die Güter bekamen 130 Morgen, das Rittergut Eisbergen wählte eine Abfindung in Geld. Die Stadt Hausberge musste mit 18 Morgen abgefunden werden.
Veltheimer Stätten bekamen Abfindungsanteile zugewiesen, mindestens 18 Neubauereien in Veltheim wurden mit ihren Ansprüchen abgewiesen. Sieben Lohfelder Bauern aus den reichen Mühlenhöfen, Sundern und Tielosen wurden als Markenberechtigte anerkannt und bekamen insgesamt 77 Morgen Markenanteile. Für die Höhe der Abfindung war die Klassifizierung der Stätten maß- gebend. Es erhielten (umgerechnet in Geldwerten)
Vollmeier 850 Taler
Halbmeier 515 Taler
Kötter 412 Taler
Brinksitzer 340 Taler
Die Größe der zugeteilten Fläche richtete sich nach der Güte des Bodens und nach dem Wert des darauf wachsenden Baumbestandes. Infolgedessen gab es erhebliche Unterschiede. Einzelheiten dazu kann man in der Akte „Aus dem Rezess zur Teilung der Veltheimer Mark“ nachlesen und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden.
Die Brinksitzer und Kötter im oberen Teil Veltheims erhielten ihre Abfindungsanteile oft nahe an ihrer Hofstätte, während die Altbauernhöfe des „Dorfes“ ihren so genannten Hofteil zum großen Teil im äußersten Norden der Mark bekamen.
Keine Markenteilung im Bereich des früheren Amtes Hausberge hat für ein Dorf eine solche bedeutende und nachhaltige Wirkung gehabt wie die Teilung der Veltheimer Mark. Der Siedlungsforscher Carl Baasen[1] kommt für die Markenteilungen allgemein zu folgender Feststellung: „Kein anderes Ereignis hat jemals für ein Land so umwälzend gewirkt wie die Markenteilungen. Die alten Siedlungsformen, die von der Urzeit her bestanden hatten, wurden plötzlich umgestoßen. Es kam Bewegung in die im Zustande der Stagnation dahinlebenden Dörfer."
Diese Feststellung trifft für Veltheim in ganz besonderem Maße zu. Die Gründe dafür sind besonders in der Lage der früheren Veltheimer Mark zu suchen. Die Veltheimer Mark schob sich auf dem Höhenrücken des Bokshorns beiderseits des Sprengelweges weit in die schon locker besiedelten und in Kultur genommenen Bereiche der Veltheimer Gemarkung hinein. Besonders am Osthang des Bokshornrückens und auf der Lüchte gab es schon ein breites Band von kleinbäuerlichen Stätten, ehemaligen Markköttern und Brinksitzern. Bei der Aufteilung der Mark wurden diesen landhungrigen Besitzern vielfach nah an ihrem Gehöft ziemlich große Markenflächen als Abfindung zugeteilt. Beispiele:
Nr. 37 Taake 26 Morgen
Nr. 29 Wartling 25 Morgen
Nr. 38 Diekmann 20 Morgen
Nr. 41 Lücke 23 Morgen
Nr. 46 Neuhaus 19 Morgen
Nr. 54 Krüger 30 Morgen
Nr. 57 Bödeker 45 Morgen
Nr. 76 Lehnert 19 Morgen
Nr. 94 Baake 19 Morgen
[1] Baasen, Carl: Niedersächsische Siedlungskunde, Oldenburg 1930
Der schon angesprochene südliche Teil der Veltheimer Mark auf dem Bokshornrücken war schon vor der Markenteilung wegen seiner Nähe zu zahlreichen Markköttern recht intensiv genutzt oder sogar ausgebeutet worden. Weite Teile wiesen nur noch lockeren Baumbestand und Buschwerk auf, andere Teile waren wegen des leichten Bodens auf kiesigem Untergrund z. T. auch als Ödland und Unland bewertet worden. Sie konnten verhältnismäßig leicht und schnell gerodet und zu Ackerland umgebrochen werden. Bei intensiver Viehhaltung und dadurch möglicher regelmäßiger Düngung konnten kleinbäuerliche Stätten auch auf diesen Böden noch ausreichende Erträge erzielen.
Für die landwirtschaftliche Nutzung weniger geeignete Grundstücke wurden als Bauplätze abgegeben, z.B. im Langen Grund, Auf der Lüchte, im Düstern Grund (heute: Bokshorn).
Weitere Siedlungsschwerpunkte der damaligen Zeit waren der Bereich am südlichen Sprengelweg und an der heutigen Veltheimer Straße. Kleinere Besitzer, die sich bereits im Handwerk oder im Gewerbe eine ausreichende Existenz geschaffen hatten, gaben oft auch etwas abseits gelegene Markenanteile ab. In der Regel erwarben die Ansiedler in der Mark außer dem reinen Baugrundstück noch Land für einen größeren Garten und eigene Viehhaltung. Die durch die Markenteilung ermöglichte Siedlungstätigkeit führte dazu, dass sich das Schwergewicht der Besiedlung immer mehr auf die „Lüchte“ und in das „öbeste Land“ verlagerte. Das „alte Dorf“ um die Kirche herum blieb weiterhin von den alten Bauernhöfen bestimmt.
Als die Veltheimer Schule an der heutigen Mahrstraße schließlich infolge der ständig wachsenden Kinderzahl zu klein wurde, baute die Gemeinde im Jahre 1879 die Schule Veltheim II im oberen Teil des Ortes, zunächst mit einem Klassenzimmer, dem jedoch bald ein zweites hinzugefügt werden musste[1].
Die Impulse der Markenteilung für die Entwicklung Veltheims werden auch durch einen Vergleich der Einwohnerzahlen belegt:
1843 1871 Zu/Abnahme ----------------------------------------------------------------------------------
Veltheim 895 1008 +12,6%
Eisbergen/Fülme 1325 1227 - 7,4%
Lohfeld 568 582 + 2,5%
Möllbergen 663 732 + 10,4%
Bei Möllbergen ist zu berücksichtigen, dass viele Möllberger auch bei der Teilung der Buhner Mark berechtigt waren. Die Veltheimer Mark wurde fast ausschließlich an die Veltheimer Markengenossen verteilt. Es wurden lediglich noch Ansprüche von sieben Lohfelder Bauern anerkannt.
Als bedeutendstes Ergebnis der Teilung der Veltheimer Mark muss herausgestellt werden, dass sie vielen Veltheimern die Möglichkeit gab, im Dorf zu bleiben. Während in den Jahren von 1840 bis etwa 1860 als Folge mehrerer Missernten etwa 300 Einwohner aus Eisbergen nach Amerika auswanderten, dürfte nach den vorhandenen Aufzeichnungen die Auswanderung aus Veltheim die Zahl von 100 kaum überschritten haben. [2]
Mit der Aufteilung der Mark wurden gleichzeitig feste Wege in der bis dahin verkehrsfeindlichen Mark angelegt. Die jährlichen Wegebauberichte des Bürgermeisters an die Amtsverwaltung aus den frühen vierziger Jahren (1840 - 1842) erwähnen immer wieder den „Ausbau und die Besserung von Markenwegen“.
Genannt werden hier z. T. in jedem Jahr „der Weg vom Dorf über die Lüchte nach Schierholz-Möllbergen“, „der Weg von der Lüchte über den Bokshorn (Steinmanns Weg)“ (heute: Straße Zur Lüchte) und vor allem der „Markenweg durch das Veltheimer Holz, Tielosen nach Hausberge“. Dieser Weg (heute Veltheimer Straße) wurde dann später zur festen Straße ausgebaut und löste den Sprengelweg als Hauptverbindung nach Hausberge und Minden ab
[1] Die Schulgeschichte von Veltheim
[2] Westf. Familienforschung: Westf. Auswanderer aus dem Regierungsbezirk Minden. Band 38/39 von 1980/1981
Weitere Verbesserungen im Straßen- und Wegenetz wurden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts im Zuge der Verkoppelung in Angriff genommen.
Als Folge der Markenteilung ist schließlich noch der Rückgang des Waldanteils an der Gesamtfläche Veltheims zu erwähnen. War die Markenteilung ursprünglich wohl auch als Abwehrmaßnahme der Altbauern gegen die ständige und nie zu überwachende freie Rodung in der Mark gedacht, so stellte die tatsächliche Wirkung das Gegenteil der Bewahrung des Waldes dar.
Mit der Markenteilung setzte eine intensive Rodungsperiode ein, die über 100 Jahre andauerte und sowohl in ihrem Tempo als auch in ihrer Intensität alle bisherigen Rodungen weit übertraf. Gleich nach der Teilung begannen besonders die Markkötter und die Brinksitzer mit der Rodung und Urbarmachung ihrer Markanteile.
Etwa seit 1900 rodeten auch einige Altbauern Teile ihres Waldes, so dass der Rest des Veltheimer Holzes schon bald an vielen Stellen von Ackerflächen durchsetzt war. Ein Vergleich der mit Wald bestandenen Flächen macht diese Entwicklung deutlich:
1828 413 Hektar Wald
1900 198 Hektar Wald
1948 67 Hektar Wald
In etwa 110 Jahren war der Wald auf ein Sechstel seiner Fläche geschrumpft. Erst in den letzten Jahrzehnten begann man, Teile der früheren Waldflächen wieder aufzuforsten.
Alteingesessene Veltheimer haben in Gesprächen immer wieder berichtet, dass sie von ihren Eltern und Großeltern noch von der Markenteilung gehört haben und sie das damals ihrer Stätte zugeteilte „Holtdeil“ kennen.
Über die vielfältigen Auswirkungen der Markenteilung hatte man jedoch kaum noch eine rechte Vorstellung.
Das Hochwasser von 1841[1]
Neben den bereits erwähnten wirtschaftlichen, gesellschaftlich-sozialen und politischen Veränderungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat auch ein Naturereignis die Entwicklung Veltheims wesentlich beeinflusst, das Hochwasser vom Januar 1841. Darüber habe ich im ersten Band unserer Chronikreihe ausführlich berichtet.
Für die Siedlungsgeschichte bedeutsam ist die daraus folgende Verlegung von Wohnstätten, die sich in Veltheim von etwa 1845 bis 1865 verteilt hat. Da beide Ereignisse, Markenteilung und Hochwasserkatastrophe von 1841, zeitlich fast zusammenfielen, ist die nachgewiesene Verlegung von Wohnstätten aus den vom Hochwasser bedrohten Bereichen in die ehemalige Mark verständlich.
Folgende Wohnstätten wurden nach dem Hochwasser verlegt:
Nr. 38, 41, 46, 48, 54, 59, 60, 63, 70, 72, 85, 91, 94, 95, 100, 108, 109. Diese Aufstellung ist sicher nicht vollständig.
1840 lag am Südhang des Bokshorns, direkt nördlich der Stätte Peetz Nr. 55, noch ein Forsthaus. Eigentümer war der Forstfiskus. Es ist bald nach der Markenteilung, mit der es seine eigentliche Aufgabe verloren hatte, aufgegeben worden.
[1] Kölling, Reinhold: Leben am Fluss, Seite 71 ff., 2005
Die Verkoppelung (Separation) 1890 bis 1900
Der zweite Schritt zur Neuordnung des Grundbesitzes in Veltheim war die „Separation“, meist nur Verkoppelung genannt. Ziele des Verfahrens, in das 831 Hektar - knapp 70% der Gesamtfläche - einbezogen wurden, waren:
1. Zusammenlegung der vielen kleinen Parzellen auf den Ackerflächen zu wirtschaftlich vernünftigen Einheiten. Die langen, oft nur wenige meterschmalen Äcker der Eschfluren, auf denen immer noch der Flurzwang herrschte, und die unregelmäßig abgegrenzten Äcker der alten Kamprodungen waren zu größeren Parzellen zusammenzulegen. Ortslagen, Haus- und Hofgrundstücke sowie die ehemaligen Markengrundstücke wurden nicht in das Umlegungsverfahren einbezogen,
2. alle Grundstücke sollten von den Wegen aus direkt erreichbar sein, Überfahrtsrechte über fremde Grundstücke unnötig werden,
3. Ablösung noch bestehender Servitute: Huderechte von Gütern,
4. Schaffung eines den neuen Verhältnissen angepassten Wegenetzes,
5. Anpassung des Wegenetzes an die Wege in den Nachbargemeinden und Ausbau der dem überörtlichen Verkehr dienenden Straßen,
6. bessere Regelung der Vorflutverhältnisse,
7. Regulierung der Gemeindegrenzen,
8. Ausweisung von Grundstücken zur gemeinschaftlichen Nutzung:
Kies-, Sand- und Lehmgruben, Vergrößerung des Friedhofes, Gelände für den Neubau der Schule I und Erweiterung des Geländes
für die Schule II.
Schon die Aufzählung der Ziele, die dem Separationsverfahren gestellt wurden, macht deutlich, welches große Vorhaben in Angriff genommen werden mussten.
Die Durchführung der Verkoppelung war von der Zustimmung der Besitzer von einem Viertel der betroffenen Flächen abhängig. In Veltheim gab es dabei keine Schwierigkeiten, da wohl alle Bauern und Grundstückseigentümer von der Neuordnung nur Vorteile haben konnten; sie war eigentlich schon überfällig geworden.
In Gemeinden mit einem großen Grundbesitzer, wie z. B. in Eisbergen der Rittergutsbesitzer, konnte dieser die Einleitung des Verfahrens erheblich verzögern. Die Besitzer hatten in der Regel bereits große, arrondierte Flächen und waren auch wegen der anfallenden Kosten nicht sonderlich an der Verkoppelung interessiert. So konnte die Verkoppelung in Eisbergen auch erst etwa zehn Jahre später in Angriff genommen werden.
In Veltheim begannen die ersten Planungen und Verhandlungen schon gegen Ende der 1880ziger Jahre. Vollzogen wurde der Austausch der Grundstücke im Herbst 1890. Letzte Schlussverhandlung und Feststellung der Rechtskraft durch die Königliche Generalkommission war am 19.12.1907.
Dazwischen lagen zahlreiche Verhandlungen, Beratungen und Sitzungen der Kommission, in der neben Vertretern der Behörden auch die örtlich gewählten Deputierten mitarbeiteten.
Die Zusammenlegung, das wichtigste Ziel der Verkoppelung, brachte allen Bauern und Grundbesitzern erhebliche Vorteile, besonders aber den Besitzern der alten Höfe mit Eschanteilen. Sie ermöglichte erst die wirtschaftliche Nutzung der Äcker, Wiesen und Weiden.
Auf dem größten Teil der Feldmark hatte das Rittergut Rothenhoff in Costedt eine Hudegerechtsame mit 700 Schafen, und zwar auf den Äckern vom 24. August bis zum 21. März, auf den Wiesen vom 11. November bis zum 21. März. Das Rittergut Eisbergen hatte auf einigen an der Grenze zu Eisbergen gelegenen Ackergrundstücken eine Schafhudegerechtsame mit einer unbestimmten Anzahl von Schafen. Die Hütungsrechte der Güter stellten eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung durch die Grundstückseigentümer dar.
Die mit der Schafhude einhergehende Düngung der Äcker hatte infolge des gestiegenen eigenen Viehbestands keine wesentliche Bedeutung mehr. Die Hütungsrechte der Güter wurden durch Geldzahlung abgefunden. Cäsar zu Rothenhoff erhielt 7446,22 Mark, v. Schellersheim zu Eisbergen 327,12 Mark.
Straßen und Wege
Die bereits bestehenden Chausseen von Veltheim nach Eisbergen und nach Möllbergen (heutige Ravensberger Straße) wurden durchgängig auf eine Breite von rund 10,50 Metern (einschließlich Straßengräben) gebracht.
Dem innerörtlichen Verkehr dienende Straßen und Wege wurden ausgebaut und verbreitert, z.B. die Akstraße wegen der nötigen breiten Gräben auf zwölf Meter; andere Straßen wurden z. T. verlegt, einige ganz neu angelegt.
Besonders zu nennen sind hier: Buschweg (heute Brinkborn), früherer Verlauf etwa 100 Meter östlich, Zur Veltheimer Fähre, nördlicher Teil neu angelegt, südliches Stück früher näher an der Weser, Heckerfeld, neu angelegt, Sieben Eichen, neu angelegt, Basenberg, neu angelegt, Kahlen Brink, oberer Teil neu angelegt, Bruchtal, Anschlüsse an die Veltheimer Straße z. T. neu, Auf der Klinke, z. T. etwas verlegt und ausgebaut, Höltkeböhm, südlicher Teil (Verbindung zur Möllberger Straße) neu.
Der damals noch so genannte „Öffentliche Weg“ nach Hausberge und die Dorfstraße wurden auf rund 10 Meter verbreitert.
Auch in der Feldmark waren viele Wege neu anzulegen und vorhandene Wege neu zu trassieren. Besonders zu nennen ist hier der „Vlothoer Weg“, heute Heuweg. Er wurde begradigt und musste im größten Teil seines Verlaufs neu angelegt werden. Bei der Auslegung ihrer Feldwege waren die Veltheimer großzügiger als einige Jahre später die Eisberger.
So lässt sich z.B. im Hehlerfeld noch heute die Grenze zwischen Veltheim und Eisbergen an der Breite des Feldweges erkennen. Insgesamt wurden die Flächen der Wege und Gräben von 24,7 Hektar auf 44,4 Hektar fast verdoppelt.
Die Regulierung der Gemeindegrenzen zu Eisbergen und Möllbergen brachte nur unwesentliche Verschiebungen. Es handelte sich eigentlich nur um die Angleichung der Gemeindegrenzen an die Grundstücksgrenzen der privaten Grundstückseigentümer. Lediglich bei der Regulierung der Grenzen zu Lohfeld im äußersten Norden der Gemarkung - Bereich Hacksiek - kamen zwei Häuser, die bis dahin zu Veltheim gehört hatten, an Lohfeld: Watermann Nr. 171 und Watermann Nr. 195 (beide Hausnummern wurden später in Veltheim neu vergeben).
Auswirkungen auf das Siedlungsbild
Die Verkoppelung hatte einen bedeutenden Einfluss auf die weitere Entwicklung des Siedlungsbildes. Die Anlage neuer Straßen und der Ausbau bereits bestehender Wege ermöglichten und erleichterten ebenso wie der bessere Zuschnitt der Grundstücke neue Ansiedlungen. In einigen Fällen kann man erkennen, dass zur Abgabe von Baugrundstücken an vom Hof weichende Kinder schon bei der Verkoppelung entsprechende Grundstücke ausgewiesen wurden. Die Bebauung orientierte sich an den ausgebauten und neuen Straßen.
Zwei Bereiche zeigen das besonders anschaulich:
1. Die Bebauung des Basenberges: die Häuser Nr. 209, 210, 211, 215, 216, 221 und 228 wurden auf ehemaligen Grundstücken des Hofes Nr. 22 an neuen Straßen gebaut und schon in den Verkoppelungsakten genannt. Unklar bleibt allerdings, ob die Straßen gebaut wurden, weil die Abgabe von Bauplätzen schon geplant war oder ob die Bauplätze erst wegen der geplanten Straßen abgegeben werden konnten.
2. Bebauung des Heckerfeldes: Anfang der neunziger Jahre erwarb ein Hausberger Kaufmann den in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Hof Hecker Nr. 8, insgesamt rund 36 Morgen, um ihn dann zu vereinzeln. Zunächst stockten einige „Kuhbauern“ in diesem Bereich ihren Grundbesitz erheblich auf. Durch die Anlegung der heutigen Straße Heckerfeld wurde aber auch die Ansiedlung weiterer Einwohner ermöglicht: Häuser Nr. 225, 235, 239, 240, 241, 263 und 296.
Ebenso eindringlich wie auf die Gestaltung des Siedlungsbildes wirkte die Verkoppelung auf die Gestaltung des Landschaftsbildes. Die Ausräumung der Flur ist eine ihrer nachhaltigsten Begleiterscheinungen: Büsche, Baumgruppen, Hecken, kleine Waldreste und Ödlandstreifen wurden beseitigt, Bäche begradigt, kleinere Teiche, Tümpel und Pfühle trockengelegt.
Heute erinnern oft nur noch Flurnamen an die ausgeräumten Naturreste: Buschweg, Höltkeböhm, Schwatten Paul, Papen Diek.
Hierzu auszugsweise einige Bestimmungen aus dem Rezess:
„Die auf den neuen Plänen befindlichen Bäume müssen spätestens zum 1. Februar 1891 von ihren Eigentümern fortgenommen sein, widrigenfalls sie in das Eigentum des neuen Planbesitzers übergehen. Ebenso müssen die auf den neuen Wegen etwa vorhandenen Bäume von ihren Eigentümern spätestens zum 1. Dezember 1890 fortgenommen sein, ....“.
Die auf den alten Grundstücken vorhandenen Hecken mussten spätestens zum 1. November 1890 beseitigt sein. Der Herbst und Winter 1890/91 brachte ein großes Auf- und Ausräumen in der Flur.
Die Verkoppelung war der entscheidende Schritt zur Umwandlung der noch weitgehend durch die Natur bestimmten Flur zur ausgeräumten Ackerflur.